Nicht nur die Finanzbranche ist aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im Wandel, sondern in der Versicherungsbranche zeichnet sich ebenfalls eine ähnliche Entwicklung ab. Das sogenannte InsurTech bezeichnet die zunehmende Digitalisierung, die auch in der Versicherungsbranche stattfindet. Erste Auswirkungen sind bereits spürbar, die sich unter anderem in neuartig gestalteten Versicherungstarifen äußern.
So gibt es beispielsweise seit einiger Zeit eine Autoversicherung, bei der die zu zahlende Versicherungsprämie fast ausschließlich auf der Anzahl der jährlich zurückgelegten Kilometer basiert. Dazu werden die entsprechenden Daten über ein Datenkabel an den Versicherer übertragen. Wir möchten daher einen Blick in die Zukunft wagen und einige Beispiele nennen, wie bisher klassische Versicherungstarife vielleicht in der Zukunft aussehen könnten.
Digitalisierung macht personenbezogene Daten besser verfügbar
Von manchen Kritikern wird die Digitalisierung in der Versicherungsbranche durchaus mit Skepsis betrachtet. So wird beispielsweise befürchtet, dass dadurch viele Arbeitsplätze wegfallen würden und der Datenschutz zunehmend auf der Strecke bleibt. Tatsache ist allerdings auch, dass die Digitalisierung insbesondere im Vesicherungsbereich einige Verbesserungen in Form von leichter verfügbaren Daten und einem verringerten Arbeitsaufwand bringen wird. So werden beispielsweise personenbezogen Daten schneller und leichter verfügbar sein, manuelle Tätigkeiten werden weiter reduziert und dadurch sparen die Versicherungsgesellschaften letztendlich Kosten, die sie vielleicht in Form günstigerer Beiträge an die Kunden weitergeben können. Zudem trägt die voranschreitende Vernetzung unterschiedlicher Branchen dazu bei, dass einzelne Versicherungen zukünftig vielleicht noch besser auf den Versicherungsnehmer abgestimmt werden können.
Der Versicherungstarife der Zukunft: individuell und mit noch flexibleren Leistungen?
Aufgrund der Tatsache, dass es zumindest wegen der Digitalisierung möglich ist, immer mehr personenbezogene Daten zum Versicherungsnehmer zu erhalten, könnte der Versicherungstarif der Zukunft vielleicht so aussehen, dass dieser sowohl im Bereich der Versicherungsprämien als auch bei den Leistungen noch individueller als zurzeit ist. Dies würde zur Folge haben, dass es nicht mehr unbedingt einen oder mehrere fixe Tarife gibt, sondern die Grenze zwischen den Tarifen schwimmend verläuft. In der Praxis könnte dies so aussehen, dass beispielsweise ein Versicherer nicht mehr drei unterschiedliche Tarife anbietet, sondern es im Prinzip unzählige Tarifvarianten geben kann, da Kosten und Leistungen individuell auf den einzelnen Kunden abgestimmt sind.
Ein erster Schritt ist durchaus bereits die eingangs erwähnte Autoversicherung, bei welcher sich der zu zahlende Beitrag zum überwiegenden Teil nur noch nach den zurückgelegten Kilometern berechnet. Damit trägt der Versicherer der Tatsache Rechnung, dass natürlich statistisch das Risiko eines Schadens mit jedem gefahrenen Kilometer steigt. Im Gegenzug werden also insbesondere solche Autofahrer belohnt, die relativ wenig Kilometer pro Jahr zurücklegen und damit statistisch ein geringeres Risiko haben, in einen Unfall verwickelt zu werden.
Wenn wir beim Beispiel der Autoversicherung bleiben, dann könnte ein zukünftiger Versicherungstarif in dieser Sparte vielleicht bald die folgenden Eigenschaften und Merkmale aufweisen:
- Versicherungsbeitrag je tatsächlich gefahrenen Kilometern
- Fahrverhalten des Versicherungsnehmers wird aufgezeichnet und fließt in die Versicherungsprämie ein
- Freiwillige zusätzliche persönliche Angaben führen zu einem Beitragsrabatt
- Leistungen werden nach einer Art Baukastensystem individuell festgelegt
- Versicherungsvertrag monatlich kündbar
- Beitragsnachlass bei zusätzlichem Sicherheitssystem im Auto, beispielsweise Abstandswarner oder Automatisches Bremsen bei Fußgängern auf der Fahrbahn
Wenn es in der Autoversicherung durch die Digitalisierung möglich wird, deutlich mehr personenbezogene Daten zu erfassen und bei Genehmigung durch den Versicherer an die Versicherungsgesellschaft zu übertragen, sind natürlich dadurch ein wesentlich individuellerer Beitrag und somit eine faire Bezahlung der Leistung möglich. Dazu trägt ebenfalls ein mögliches Baukastensystem bei den Leistungen bei.
Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Fahrzeug nahezu ausschließlich in der Innenstadt unterwegs sind, macht es wenig Sinn, zum Beispiel im Rahmen der Teilkaskoversicherung den Schadensfall Zusammenstoß mit Haarwild zu integrieren. Denn natürlich zahlen Sie mit Ihrer Versicherungsprämie einen kleinen Teil des Beitrages auch zur Absicherung dieses Risikos.
Die Speicherung und Übertragung des Fahrverhaltens wird zwar häufig kritisiert, aber im Grunde gibt es kaum eine bessere Datengrundlage, um einen fairen Versicherungsbeitrag zu ermitteln. Immerhin gehen Autofahrer tatsächlich ein höheres Risiko ein, wenn sie beispielsweise oft zu schnell fahren, vielleicht die Vorfahrt missachten, häufiger stark Bremsen oder sonstiges Fahrverhalten an den Tag legen, welches einfach die Sicherheit verringert.
Tarifveränderungen auch in weiteren Versicherungssparten möglich
Die Autoversicherung ist natürlich nur eine Versicherungssparte, in der es zukünftig vielleicht aufgrund der Digitalisierung in der Versicherungsbranche veränderte Tarife geben könnte. Im Grunde kann vor allem die Erfassung vieler individueller Personendaten in nahezu jeder Versicherungssparte dazu führen, dass es individuellere Tarife geben wird. So wäre beispielsweise in der Hausratversicherung vorstellbar, dass über eine Funktion vom Smartphone aufgezeichnet wird, wie häufig Sie beim Verlassen des Hauses noch ein Fenster geöffnet haben oder die Haustür nicht verschlossen ist. Dies wäre ein erhöhtes Risiko für Einbrüche, sodass in einem solchen Fall vielleicht ein Beitragsaufschlag zu zahlen ist.
Andersherum könnten natürlich solche Versicherungsnehmer belohnt werden, die jedes Mal beim Verlassen des Hauses die Wohnungstüren abschließen und alle Fenster geschlossen haben. Dies ist natürlich nur eins von zahlreichen Anwendungsbeispielen, bei denen das Verhalten und die Daten des Versicherungsnehmers sich auf die zu zahlende Versicherungsprämie auswirken können. Aber auch der Leistungsbereich kann sich natürlich verändern, indem sehr individuelle Tarife mit ebenfalls individuellen Leistungen wählbar sind.
Viel Potenzial im Bereich Krankenversicherung
Mit das größte Potenzial, um Leistungen und Beiträge noch deutlich individueller zu gestalten, gibt es vor allem im Bereich der Krankenversicherung. Bisher ist es bei der gesetzlichen Krankenversicherung zum Beispiel so, dass sich die Höhe des Beitrages nahezu ausschließlich nach dem Einkommen richtet. Das individuelle Verhalten des Versicherungsnehmers wird faktisch überhaupt nicht berücksichtigt.
Ob Sie beispielsweise regelmäßig empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen, wie zum Beispiel das Hautkrebsscreening oder die Darmspiegelung, in Anspruch nehmen oder nicht, wirkt sich nicht auf die zu zahlende Versicherungsprämie aus. Dabei gehen Krankenversicherte zumindest statistisch ein etwas höheres Risiko ein, wenn sie bestimmte Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen, dass die dann später entdeckte Krankheit zu hohen Folgekosten führen kann, die durch eine rechtzeitige Früherkennung vielleicht verhindert worden wären.
Ein ähnliches System gibt es bisher im Grunde nur im Bereich der Kostenerstattung für Zahnbehandlungen und Zahnersatz, denn dann zahlt die gesetzliche Krankenversicherung einen etwas höheren Zuschuss, falls Sie mindestens einmal pro Jahr beim Zahnarzt die Vorsorgeuntersuchung durchgeführt haben. Hier gibt es in der Krankenversicherung demzufolge noch erhebliches Potenzial zur Individualisierung der Beiträge und zum Teil auch der Leistungen, wenn beispielsweise die folgenden Verhaltensweisen beim Festlegen der Versicherungsprämie berücksichtigt wurden:
- Raucher / Nichtraucher
- Alkoholkonsum
- Übergewicht
- Hobbys mit höherem Risiko
- Beruf
- Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen
- Einnahme verschriebene Medikamente
Als Fazit ist festzuhalten, dass sich die Versicherungstarife voraussichtlich in der Zukunft teilweise deutlich verändern könnten. Versicherungsnehmer sollten davor jedoch keine Angst haben, denn die zunehmende Digitalisierung kann auch zu einer größeren Individualisierung führen, sodass Leistungen freier wählbar sind und die Bezahlung fairer erfolgt, weil eben sehr individuelle Daten berücksichtigt werden können. Dennoch ist der Datenschutz natürlich ein großes Thema, sodass die zukünftigen Tarife nur dann Vertrauen schaffen und funktionieren werden, wenn die Angabe der meisten Daten tatsächlich ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt.