Die seit vielen Jahren anhaltende Niedrigzinsphase lässt die Nachfrage nach kreditfinanzierten Eigenheimen deutlich steigen. Im Gegenzug steigen natürlich auch die Immobilienpreise. Doch gerade in Zeiten von niedrigen Zinsen sollten Bauherrn einiges beachten, wenn es um die Baufinanzierung geht. Denn so gut es auf den ersten Blick scheinen mag, so bergen paradoxerweise niedrige Zinsen eine Tilgungsfalle: Je niedriger die Zinsen sind, desto länger müssen Sie Ihren Baukredit abzahlen. Woran das liegt und was Sie ebenfalls beachten sollten, zeigt Ihnen dieser Beitrag.
Tilgungsfalle in Niedrigzinsphasen: 2 Fallen, die Kreditnehmer umschiffen müssen
Auf den ersten Blick sieht es gut aus: Immobilienkredite für teilweise unter 1 Prozent p.a. Zinsen – günstiger kommt man doch gar nicht mehr ins Eigenheim. Richtig, niedrige Zinsen sind grundsätzlich ein Geschenk für Kreditnehmer. Doch der Aufbau eines hierzulande üblichen Baukredits birgt 2 Gefahren:
- Je niedriger der Zins, desto länger dauert die Rückzahlung
- Am Ende der Zinsbindungsfrist besteht das Risiko von erhöhten Zinsen
In diesem Artikel gehen wir auf die beiden hier genannten Gefahren ein und zeigen, was Sie aktiv dagegen tun können, um eben nicht in die Tilgungsfalle Baufinanzierung zu tappen.
1. Falle: Das Paradoxon bei der Tilgung eines Annuitätendarlehens
Um die erste Tilgungsfalle besser zu verstehen, muss man zunächst wissen, welche Darlehensart bei einer Baufinanzierung hierzulande üblich ist und wie sie aufgebaut ist. In Deutschland ist das sogenannte Annuitätendarlehen üblich. Bei dieser Baufinanzierung zahlen Sie über die Laufzeit eine feste Rate. Die Rate wiederum besteht auf einem Anteil Zinsen und einem Anteil Tilgung. Mit jeder Rate, die Sie leisten, tragen Sie einen kleinen Teil des Schuldenbergs ab. Damit verringert innerhalb der Rate der Zinsanteil wobei der Tilgungsanteil steigt.
Das scheinbar Paradoxe ist nun, dass je höher der Zins ist, desto schneller das Darlehen zurückgezahlt ist. Bei gleichem anfänglichen Tilgungssatz natürlich. Wie groß ist der Unterschied? Bei einer Tilgung von 1 Prozent dauert die Rückzahlung wie folgt (unabhängig von der Höhe des Darlehens):
- Zinssatz: 2% – 55 Jahre bis zur vollständigen Abzahlung
- Zinssatz: 4% – 40,3 Jahre bis zur vollständigen Abzahlung
- Zinssatz: 8% – 27,6 Jahre bis zur vollständigen Abzahlung
Das liegt mathematisch ganz einfach daran, dass bei geringeren Zinssätzen der Zinsanteil innerhalb der Rate während der Rückzahlung nur minimal sinkt. Umgekehrt erhöht sich dadurch der Tilgungsanteil nur sehr geringfügig, was eben dazu führt, dass die Rückzahlung deutlich länger dauert, als bei einem höheren Zinssatz.
Um bei einem Zinssatz von 2 Prozent p.a. in etwa die gleiche Zeit für die Rückzahlung zu benötigen wie bei einem Zins von 8 Prozent p.a., wäre eine Tilgungsrate von knapp 3 Prozent erforderlich.
Natürlich muss man in den genannten Beispielrechnungen auch bedenken, dass die Höhe der Rate steigt, wenn auch der Zinssatz steigt. Zum Beispiel wäre die Rate bei o.g. Beispiel bei 8 Prozent Zinsen um ein dreifaches höher als bei 2 Prozent. Ein niedrigerer Zinssatz nützt einem eben nur dann etwas, wenn man im Gegenzug auch die Tilgungsrate steigert. Ansonsten könnte es sogar passieren, dass die Zinskosten auf lange Sicht gesehen höher liegen.
Tilgung höher ansetzen
Um diese sogenannte Tilgungsfalle zu umgehen, sollten Kreditnehmer daher von vornherein den Tilgungsanteil höher ansetzen. Wer den Tilgungssatz beispielsweise von 1 auf 3 Prozent erhöht, hat jedoch nicht die dreifache Belastung, sondern die Rate steigt nur auf das rund 1,5-fache (kann auch 1,3 oder 1,8 betragen, abhängig ist das vom Zinssatz; je kleiner der Zins, umso größer der Sprung).
Im Gegenzug wird die Laufzeit jedoch mehr als halbiert.
- Tilgung zum Beispiel von 1 auf 3 Prozent erhöhen (Tilgung verdreifachen)
- Monatliche Rate steigt „nur“ um rund das 1,5-fache
- Der Kredit ist in weniger als in der Hälfte der Zeit zurückgezahlt
2. Falle: Das Zinsänderungsrisiko am Ende der Laufzeit
Die zweite Tilgungsfalle betrifft ebenfalls Kreditnehmer in Niedrigzinsphasen. Grundsätzlich liegt die „Falle“ oder das Risiko immer darin, dass der Darlehensnehmer die Tilgung zu niedrig ansetzt. Bei Aufnahme eines Baukredits vereinbart man eine Laufzeit, von in der Regel 5 bis 10 Jahren. Bei einer Erstfinanzierung wird am Ende der Laufzeit nur in den wenigsten Fällen das Darlehen zurückgezahlt werden. Für die verbleibende Restschuld benötigt man eine Anschlussfinanzierung.
Es leuchtet ein, dass je geringer die verbleibende Restschuld ist, desto weniger Zinsen fallen für die Anschlussfinanzierung an. Wer jedoch nur eine sehr niedrige Tilgung wählt, von zum Beispiel 1 Prozent, hat am Ende der Zinsbindungsfrist eine immer noch recht hohe Restschuld. Das Risiko besteht nun darin, dass bis zum Ende der Laufzeit die Zinsen steigen und die Anschlussfinanzierung deutlich teurer wird. Im Ernstfall steigen die Zinsen so hoch, dass die Rate für den Kreditnehmer finanziell nicht mehr machbar ist.
- Zins wird für die vereinbarte Laufzeit festgeschrieben
- Das Risiko besteht darin, dass am Ende der Zinsbindungsfrist die Zinsen deutlich steigen
- Im Extremfall muss die Immobilie veräußert werden, wobei der Erlös unter Umständen nicht mal die Restschuld deckt
Der finanzielle Supergau
Würde zum Beispiel der Zins nach dem Ende der ersten Zinsbindungsfrist von 1,5 auf 4,5 Prozent steigen, müsste der Bauherr mehr als das Doppelte an Kreditrate stemmen (wie realistisch dieses Szenario ist, ist eine andere Sache). Das wäre wohl nur in den allerwenigsten Fällen machbar. Das liegt vor allem daran, dass man sich ja an die kleine Kreditrate gewöhnt und seine Ausgaben entsprechend gestaltet hat. Unter Umständen muss der Immobilieneigentümer dann das Haus oder die Wohnung sogar verkaufen, weil er sich die Kreditrate nicht mehr leisten kann. Im Extremfall erzielt er jedoch nicht den erhofften Kaufpreis und der Erlös deckt womöglich nicht mal die Restschuld des Kredits ab. Das wäre dann wirklich der finanzielle Supergau. Wer die Tilgung dagegen nur um ein Prozentpunkt nach oben hebt, zahlt sich auf Sicht von mehreren Jahren häufig mehrere Zehntausend Euro mehr zurück.
Auf dem Sparkassenportal findet man dazu folgende Beispielrechnung: 180.000 Euro Baukredit, 1,5% Zinsen, 10 Jahre Zinsbindung. Die Restschuld würde bei folgendem Tilgungsanteil wie folgt sein (abgerundete Werte):
- 1 Prozent: 160.000 Euro
- 2 Prozent: 140.000 Euro
- 3 Prozent: 120.000 Euro
- 4 Prozent: 100.000 Euro
Wer eine Tilgung von 3 Prozent ansetzt, hat nach 10 Jahren also rund 40.000 Euro weniger Schulden. 40.000 Euro auf die er weniger Zinsen zahlen muss.
Abschließend: Ein Wort zur Höhe der Tilgung
Diese Berechnungen machen deutlich, dass die manchmal von den Banken forcierte 1 Prozent Tilgung den Kreditnehmer auf lange Sicht teuer zu stehen kommen mag. Einerseits dauert die Rückzahlung wesentlich länger. Andererseits besteht das Risiko bei steigenden Zinsen, dass die Rate finanziell nicht mehr zu stemmen ist. Das sind die Kernaussagen der „Tilgungsfalle Baufinanzierung“.
Andererseits dürfen Sie als Kreditnehmer sich nun nicht dazu verleiten lassen, den Tilgungsanteil so hoch wie möglich anzusetzen, nur damit der Kredit schneller zurückgezahlt ist bzw. Sie weniger Zinsen zahlen müssen. Die Kreditrate darf keineswegs „auf Kante genäht“ sein. Sollte dann nämlich bei Ihnen irgendetwas geschehen, dass Sie mehr Ausgaben oder ein geringeres Einkommen haben, dann kommen Sie ebenfalls in Schwierigkeiten.
Setzen Sie die Kreditrate daher so an, dass Sie zwar auf der einen Seite mehr als nur 1 Prozent Tilgung zahlen. Auf der anderen Seite aber noch etwas finanziellen Puffer haben. Eine Möglichkeit wäre auch, eine Option in den Vertrag aufzunehmen, dass Sie die Höhe der Tilgung während der Laufzeit ändern können. Dann könnten Sie mit einer vergleichsweise hohen Tilgung starten und bei Bedarf diese dann wieder nach unten anpassen.