Ein Finanzprodukt war in den vergangenen Jahren in Deutschland fast aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden – das Bausparen. Aufgrund der niedrigen Zinsen und der teils auch großzügigen Baukredit-Gewährung der Banken waren die klassischen Bausparverträge etwas aus der Mode gekommen.
Die Zeiten haben sich im vergangenen Jahr jedoch komplett geändert. Gestiegene Zinsen, höhere Materialkosten in der Bauwirtschaft, die einsetzende Rezession und der Fachkräfte-Mangel im Bau haben dafür gesorgt, dass das Bauen bzw. der Haus- und Wohnungskauf für viele Verbraucher ein Stückweit in die Ferne gerückt ist. Das Interesse am Wohneigentum ist aber ungebrochen. Genau aus diesem Grund erlebt das Bausparen aktuell eine Renaissance.
Verband privater Bausparkasse veröffentlicht erste Zahlen
Das Geschäft mit Baufinanzierungen ist im zurückliegenden halben Jahr drastisch eingebrochen. Ein Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Auf die Kreditinstitute kommen im privaten Baufinanzierungssektor harte Seiten zu. Aus dem Baugewerbe wird aktuell von einer Stornierungswelle berichtet. Viele geplante Aufträge werden zurückgezogen, da die Finanzierungen den momentanen Gegebenheiten nicht mehr standhalten bzw. weil private Interessenten das Risiko scheuen.
Der Verband der privaten Bausparkasse berichtet jedoch von einen Aufschwung der sich sehen lassen kann. Der etwas angestaubte Bausparvertrag wird verstärkt nachgefragt. Obwohl es die Trendwende erst in den zurückliegenden Monaten gegeben hat, haben die Bausparkassen vom vergangenen Jahr 15 Prozent mehr Neukundenverträge als noch 2021 abgeschlossen. Das Volumen der Verträge ist sogar um 40 Prozent gestiegen. Der Wert des durchschnittlichen Bausparvertrages der Deutschen ist 70.000 Euro angewachsen und hat damit den höchsten Stand aller Zeit erreicht.
Bausparvertrag wird nicht mehr zum Geld-Parken genutzt
Die enorme Höhe der Bausparverträge hat einen einfachen Grund. In der Vergangenheit haben die Verträge oftmals „nur“ zum Ansparen von Geld bzw. zum sicheren Parken von Kapital gedient. Mittlerweile haben die Kunden jedoch klarere Vorstellungen. Mit den Bausparverträge soll tatsächlich gebaut oder renoviert werden.
Bausparer sichern sich langfristig niedrige Zinsen
Der entscheidende Vorteil neuer Bausparverträge sind die niedrigen Zinsen. Wer heute einen Kontrakt mit einer Bausparkasse abschließt, kann sich noch immer moderate Bauzinsen für die Zukunft sichern.
Die Bausparkassen vergeben die Darlehen, die auf die Ansparungsphase folgen momentan garantiert in einer Spanne zwischen 1,5 Prozent und 2,5 Prozent. Damit liegen die Anbieter schon heute deutlich unter den Finanzierungsangeboten der Banken, bei denen die billigsten Baukredite (mit kurzer Zinsbindung für 300.000 Euro) zwischen 3,0 und 5,2 Prozent erhältlich sind. Aufgrund der aktuellen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Bauzinsen noch weiter steigen. Die Spanne zum Bausparvertrag wird sich noch vergrößern.
Konkrete Zahlen zum Bausparboom in Deutschland
Beim Marktführer der Bausparkasse Schwäbisch Hall ist das Neukunden-Geschäft von 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestiegen. Das Neukundengeschäft beziffert Schwäbisch Hall insgesamt auf ein Volumen von 30 Milliarden Euro. Mit einem Marktanteil von 30 Prozent ist das Unternehmen in Deutschland die klare Nummer 1 unter den privaten Anbietern.
Hohe Zuwachszahlen vermeldet zudem Verband der Landesbausparkassen. Die Bausparsumme der Neukundenverträge sei, so die offizielle Verlautbarung, von Januar bis September 2022 um fast 49 Prozent, die Anzahl der Vertragsabschlüsse um 22,5 Prozent.
Wüstenrot hat ähnlichen Steigerungszahlen zur verzeichnen, die sich laut Geschäftsführung 2023 auf hohen Niveau bestätigen sollten. Die Bausparkasse hat in ihrer Stellungnahme zur aktuellen Geschäftsentwicklung zudem auf einen weiteren Punkt hingewiesen. 60 Prozent der eigenen Finanzierungskunden bauen nicht neu, sie kaufen. Besonders im Fokus steht dabei der ländliche Raum bzw. das Umfeld von Großstädten. Viele Kunden suchen Kaufobjekte, die a) einen kurzen Arbeitsweg garantieren, b) aber gleichzeitig die Möglichkeit für Home-Office.
Baufinanzierungs-Rückgang schlägt noch nicht durch
Der drastische Einbruch der Baufinanzierungen bei den Banken und Sparkassen hat bisher noch nicht auf die Bausparkasse durchgeschlagen. Bei den Landesbausparkassen ist die Kreditvergabe 2022 sogar leicht gestiegen. Insgesamt wurden 9,2 Milliarden Euro an Baudarlehen ausgeschüttet. Die hohen Zahl basiert aber vorwiegend auf den Krediten aus dem ersten halben Jahr.
Mittlerweile ist, so sind sich die Vorstände von Wüstenrot, Schwäbisch Hall und der Landesbausparkassen einig, eine Trendumkehr erkennbar. Viele auszahlungsreife Bausparverträge werden nicht genutzt. Die Kunden nehmen die Finanzierungen nicht direkt in Anspruch, sondern legen die eigenen Verträge in eine Warteschleife.
In der Prognose für die kommenden Monate kann davon ausgegangen werden, dass die Bausparsummen und die Vertragsanzahl weiter steigt. Die ausreichten Kreditvolumina werden aber weiter sinken.