Die Basler Kriterien der Banken werden immer strenger. Vor allem kleine und mittelständige Unternehmen haben mit den Kreditbedingungen ihre Schwierigkeiten. Es ist immer schwieriger einen Betriebsmittelkredit oder ein Darlehen für Investitionen zu erhalten. Es gibt jedoch eine Alternative – die Schuldscheine.
Die Ausgabe von Schuldscheinen von Firmen ist in den zurückliegenden Jahren rasant gestiegen. 2022 hat sie ein Rekord-Niveau erreicht. Wir haben die Informationen für sie.
Schuldschein-Analystin veröffentlicht aktuelle Zahlen
Barbara Ambrus, die Schuldschein-Analystin der LBBW (Landesbank Baden-Württemberg), ist direkt zu Jahresbeginn mit den aktuellen Zahlen der privaten Finanzierungsmöglichkeit an die Öffentlichkeit gegangen. In den Jahren 2016, 2017 und 2019 hatten die Emissionen der Schuldverschreibungen auf dem bisherigen Allzeitrekord von 27 Milliarden Euro gelegen.
2022 ist der bisherige Emissionswert nochmals um 15 Prozent gestiegen. In den zurückliegenden Monaten haben die hiesigen Unternehmen Schuldscheine von gut 31 Milliarden Euro an interessierte Anleger verkauft.
Insgesamt stehen die deutschen Firmen damit aktuell mit 159 Milliarden Euro in der Kreide bei privaten Anlegern. Die Schulden sind damit seit 2018 um ein Dritte gestiegen.
Top-Unternehmen setzen auf Schuldverschreibungen
Es sind längst nicht nur kleine Unternehmen, die vermehrt zu den Schuldscheinen als Finanzierungsmittel greifen. Wer sich die Statistik des letzten Jahres anschaut, wird schnell erkennen, dass sich sehr prominente Firmen neues Kapital über die Schuldverschreibungen geholt haben. Die Nummer 1 ist der größte Autoteilehersteller der Welt, Bosch. Das Unternehmen hat über seine neuen Schuldverschreibungen 1,5 Milliarden Euro eingenommen. Im Ranking der größten, deutschen Schuldscheine 2022 folgen:
- Vonovia Immobilen mit 1 Milliarde Euro
- Arcelor-Mittal (Stahlkonzern) mit 750 Millionen Euro
- ZF Friedrichshafen (Automobil-Teile) mit 700 Millionen Euro
- Covestro (Chemie-Konzern) mit 650 Millionen Euro
- Sartorius (Labor-Ausrüster) mit 650 Millionen Euro
2023 wird sich der Schuldscheinmarkt beruhigen
Wird die Anzahl der Schuldschein-Verschreibungen 2023 weiter steigen? Wird die aktuell kritische, wirtschaftliche Lage und das damit verbundene Zukunftsrisiko in den kommenden Monaten für einen weiteren Boom am Markt sorgen? Geht’s nach der Chefanalystin der LBBW, so laut die Antwort „Nein“.
Ambrus erwartet eine deutliche Abkühlung des Geschäfts. Zahlreiche Firmen haben sich mit frischen Kapital versorgt und sind mittlerweile sehr gut aufgestellt. Die Liquiditäts-Rücklagen sind auffüllt. Die Unternehmen haben einen finanziellen Puffer. Neues Geld ist vermutlich nicht nötig, um die geplanten firmeninternen Vorhaben umzusetzen. Für den regen Schuldschein-Handel in den zurückliegenden Monaten haben, so die Analystin, folgende Punkte beigetragen:
- Erwartete Rezession
- Corona-Pandemie
- Ukraine-Krieg
- Gestiegene Inflation
- Gestiegene Zinsen
Steigen werden indes vermutlich die Emissionen mit Nachhaltigkeitsbezug. 2022 haben entsprechende Schuldverschreibungen 40 Prozent des Marktes ausgemacht. Die Papiere sind bei den Investoren bleibt, so dass 2023 von einem Anstieg auf über 50 Prozent ausgegangen werden kann.
Schuldscheine sind keine Anleihen
Vielfach werden die Schuldscheine der Unternehmen mit den Anleihen verwechselt. Es gibt an dieser Stelle aber einen wesentlichen Unterschied. Die emittierten Anleihen werden an der Börse gehandelt. Die Kurs kann täglich abgelesen und damit auch die entsprechenden Wertveränderungen ins Plus oder Minus. Beim Schuldschein gibt’s indes keinen offiziellen Handel.
Genau aus dieser Tatsache lassen sich die Vor- und Nachteile für die Anleger ableiten.
Keine Bewertungsverluste und hoher Risikoaufschlag
Professionelle Anleger schätzen an den Schuldscheinen der Firmen, dass diese im eigenen Portfolio mit einem festen Wert stehen bleiben. Es müssen keine Wertanpassungen vorgenommen werden. Buchhalterisch ist ein Verlust über die Laufzeit der Wertpapiere ausgeschlossen.
Nachteilig ist ohne Frage, dass der Schuldschein der Firmen nicht sofort zu Cash gemacht werden kann und wenn, dann meist mit deutlichen Abschlägen. Der Verkauf ist zwar möglich, meist aber mit einem erhöhten Aufwand für die Investoren verbunden. Genau diese mangelnde Liquiditätsmöglichkeit ist der Grund, weshalb es im Gegenzug einen erhöhten Zinsaufschlag gibt. Die emittierten Schuldverschreibungen der Wirtschaft haben 2022 um 250 Basispunkte über dem Zinssatz der zehnjährige Bundesanleihe gelegen.
Schuldscheine auch für kleinere Anleger rentabel
Die beschriebene Rentabilität bezieht sich auf die Unternehmen mit einer BBB-Einstufung, also mit einer sehr guten Bonität. Die Papiere sind nach unserer Erfahrung auch für Kleinanleger empfehlenswert, die ihr Geld für eine längere Zeit festanlegen wollen. Zahlungsausfälle bei Firmen bei einer BBB-Bonität sind nicht zu erwarten.